Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich von Home-Office spreche. “Zurzeit arbeiten wir im Home-Office.” Oder: “Home-Office ist toll, da kann ich auch mal auf dem Balkon arbeiten.” Aber bedeutet Home-Office wortwörtlich nicht einfach ein Büro zu Hause? Zu Corona-Zeiten wurden die meisten von uns schnell ins Home-Office geschickt, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Aber ist das nun die richtige Bezeichnung? Mein Mann und ich arbeiten bereits seit einigen Monaten von zu Hause aus. Da ich nur in Teilzeit arbeite, sitzt er im Arbeitszimmer und ich arbeite dort, wo unsere einjährigen Mädels gerade nicht bespaßt werden. Auch braucht er einen ordentlichen, aufgeräumten Arbeitsplatz, um konzentriert arbeiten zu können. Ich hingegen wandere gern flexibel durch die Wohnung und suche mir den Ort, wo ich mich am wohlsten fühle. Praktiziere ich da vielleicht eher mobiles Arbeiten? Oder reicht zu Hause zu sein, um es Home-Office zu nennen? Was steckt hinter diesen Bezeichnungen? Das wollte ich genauer wissen, und stellte fest: Tatsächlich, im Gegensatz zum mobilen Arbeiten hat Home-Office so einige feste Regeln.
Was genau ist Home-Office?
Laut dem Arbeitsrecht ist das Home-Office in Deutschland so definiert: Es ist ein vom Arbeitgeber fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz. Und der ist erst dann fest eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedingungen im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die Ausstattung des Home-Offices vom Arbeitgeber bereitgestellt und vor Ort installiert wurde. Dazu kommt noch eine Gefährdungsbeurteilung, bei der die Arbeitsbedingungen und der Arbeitsplatz vor Ort begutachtet werden. Dafür muss der Arbeitnehmer schriftlich einwilligen, dass externe Fachleute die Wohnung betreten und den Arbeitsplatz inspizieren. Eine Alternative dazu ist, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über den konkreten Zuschnitt seines Arbeitsplatzes informiert und die Einrichtungsdetails abspricht.
Die Bestimmungen für das Home-Office
Die Beurteilung sollte neben den Gefahren bei einem normalen Büroarbeitsplatz in einem Betrieb auch die Gefährdungen beim Home-Office in Betracht ziehen. Dazu gibt es eine ganze Reihe an Vorschriften. Ich habe meinen eigenen Arbeitsplatz anhand dieser Kriterien analysiert, um zu sehen, ob er vielleicht sogar fürs Home-Office taugt:
- Er muss ausreichend Platz für wechselnde Arbeitshaltungen und -bewegungen haben.
- Bildschirmgeräte sind so aufgestellt, dass die Oberfläche frei von störenden Reflektionen und Blendungen ist.
- Arbeitstische müssen eine reflektionsarme Oberfläche haben und so aufgestellt sein, dass die Oberflächen bei der Arbeit frei von störenden Reflektionen sind.
- Die Arbeitsfläche muss so groß sein, dass alle für die Arbeit benötigten Gegenstände wie Tastatur, Maus, Stifte und Notizblöcke variabel angeordnet werden können. Außerdem muss die Arbeitsfläche vor der Tastatur das Auflegen der Handballen ermöglichen.
- Bei der Arbeit im Home-Office muss auch die Datensicherheit gewährleistet werden durch ein Datenschutz-/IT-Sicherheitskonzept. Dazu gehören aber auch abschließbare Schränke, sich ins Internet nur über VPN- oder Tunnellösungen einzuloggen und Passwörter nicht frei zugänglich aufzubewahren. Für mich neu war, dass Ausdrucke mit betrieblichen Informationen nichts zu Hause im Papierkorb im Home-Office zu suchen haben.
Die Anforderungen an den Mitarbeiter
All diese Kriterien kann ich leider nicht erfüllen, so ist zum Beispiel mein Esstisch weiß und die Oberfläche blendet deshalb doch etwas zwischen 13 und 17 Uhr an sonnigen Tagen. Aber mein Arbeitgeber hat mich mit Laptop, Maus, etc. ausgestattet, sodass dem guten Arbeiten nichts mehr im Wege steht. Rein theoretisch könnte ich also sogar Home-Office machen, wenn ich nur immer am gleichen Ort arbeiten würde und er abgetrennt wäre wie das Arbeitszimmer meines Mannes. Aber Fakt ist, ich arbeite einfach flexibel an dem Ort, wo es gerade passt (wenn es für die Kinderbetreuung ist, auch bei meinen Eltern) oder wo ich mich am besten fühle (gern auch auf dem Balkon). Die wichtigste Anforderung für das mobile Arbeiten erfülle ich aber dennoch: Ich bleibe in Deutschland! Denn ja, man muss in Deutschland bleiben, wenn man auch die Wohnung verlassen darf. Trotz all dieser Unterschiede hat das Arbeiten von zu Hause, sei es im Home-Office oder das mobile Arbeiten, doch einige Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel die Anforderungen an den Mitarbeiter.
- Der Arbeitnehmer muss sich an die normalen Arbeitszeiten halten, denn sowohl beim Home-Office wie auch beim mobilen Arbeiten wird einfach nur an einem anderen Ort gearbeitet. Die Arbeit muss daher im genau gleichen Umfang und in der gleichen Qualität erbracht werden, wie wenn man im Büro sitzen würde.
- Das impliziert aber auch, dass der Arbeitnehmer seine Pausenzeiten einhält. Oft tendiert man dazu, sich einfach was zu essen mit an den Rechner zu stellen, was aber dann dazu führt, dass Pausen ignoriert werden.
Dies bringt uns auch gleich zu den Gefahren beim Home-Office oder in meinem Fall beim mobilen Arbeiten von zu Hause.
Gefahren beim Home-Office/mobilen Arbeiten von zu Hause
Ich persönlich freue mich sehr über die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, da meine Kinder noch nicht in der Kita sind und ich somit weniger Kinderbetreuung brauche, als wenn noch zur Arbeitszeit die Zeit für die Hin- und Rückfahrt sowie die Mittagspause anfallen würde. Auch wenn es schwierig ist, nicht doch zu ihnen ins Wohnzimmer zu springen, wenn eins weint oder am Rechner sitzen zu bleiben und zu ignorieren, dass sie an die Zimmertür poltern. Dennoch ist dies nicht das perfekte Modell für jeden und auch diese Form des Arbeitens hat so seine Tücken. Eine Gefahrenquelle ist zum Beispiel das Arbeiten auf normalen Stühlen, die aber nicht für das stundenlange Sitzen am Tisch gebaut wurden. Diese mangelnde ergonomische Einstellung kann zu physischen Belastungen von Muskeln und Skelett führen, was auch Kopfschmerzen triggern kann.
Nicht selten stellt das Arbeiten von zu Hause aber auch eine psychologische Belastung dar durch den Mangel an räumlicher und zeitlicher Trennung von Privatleben und Arbeitsbereich. Und wir wollen die vorher genannte Gefahr nicht vergessen, die den Arbeitgeber zwar etwas erfreuen mag und positiver für Home-Office stimmen wird ist, nämlich das häufige Vergessen von Pausen und die vermehrten Überstunden, die oft geleistet werden, weil nebenbei eine Mail noch kurz beantwortet wird etc.
Dennoch sehen die meisten Mitarbeiter die Arbeit zu Hause als Chance und freuen sich über das ihnen entgegengebrachte Vertrauen. So machen sie oft Überstunden gerade um zu beweisen, dass sie fleißig sind und nicht faul auf der Couch einen Serienmarathon machen. Ein weiterer Faktor, der darauf Einfluss hat, ob man im Home-Office erfolgreich ist, ist die Gewissenhaftigkeit. In der Wirtschaftswoche erklärt Conny Herbert Antoni, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Trier: „Es zeigen sich konsistente Zusammenhänge zwischen der Gewissenhaftigkeit einer Person und gelingendem Homeoffice. Wenn ich gewissenhaft bin, heißt das auch, dass ich das mache, was ich mir vornehme.“ Was manchmal auch Überstunden bedeutet, oder mit einem Schnupfen zu arbeiten, anstelle sich krankschreiben zu lassen.
In einem Report der AOK hat die Krankenkasse festgestellt, dass Mitarbeiter im Home-Office sich seltener krank melden. Dafür berichteten sie aber eher von psychischen Beeinträchtigungen wie Ärger, Selbstzweifel und Schlafstörungen, was zum einen auf einen Mangel an Abgrenzung hindeuten kann. Aber auch fehlende soziale Interaktionen. Denn ärgert man sich sonst über einen Mitarbeiter, kann man sich mit ihm im Büro auseinandersetzen, sich bei anderen Kollegen Luft machen oder den Ärger einfach versuchen auf dem Heimweg loszuwerden. All diese Optionen entfallen aber nun. Das führt zu dem größten Problem beim Home-Office: Vielen sind die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz sehr wichtig und sie befürchten Vereinzelung durch die Arbeit von zu Hause. Conny Herbert Antoni meinte in der Wirtschaftswoche: „Persönlichkeitsfaktoren haben Einfluss darauf, wie gut jemand mit dem Home-Office zurechtkommt. Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen, die sehr sozial orientiert sind, nicht so gern allein sind und dadurch auch weniger leistungsfähig sein können.“ Auch diese Menschen müssen gerade beim unfreiwilligen Home-Office/mobilen Arbeiten zu Corona-Zeiten abgeholt werden.
Möglichkeiten, diesen Gefahren entgegenzuwirken
Wir bei Picalike haben das große Glück, dass sowohl unser Chef wie auch unser Projektmanager sich sehr mit diesen Gefahren auseinander gesetzt haben und auf vielen verschiedenen Wegen versuchen, gerade die psychologischen Nachteile vom Home-Office entgegenzuwirken. Zum einen haben wir einen festen Termin im Büro, an dem wir uns jede zweite Woche dort treffen und berichten, womit wir uns gerade auseinander setzen, was wir machen und uns einfach auch mal wieder live sehen. Auch haben wir ein Chat-Roulette, das sozusagen unser Ersatz für den Plausch in der Kaffeeküche ist, den kann es zwar nicht ganz ersetzen, aber immerhin ein bisschen. Da wird morgens ausgelost, wer mit wem über welches völlig von der Arbeit losgelöstes Thema im Laufe des Tages einen Call machen soll. Dann verabredet man sich und meistens wird es dann doch ein Gespräch über Gott und die Welt.
Alle paar Wochen wird auch eine Umfrage gemacht, wie es uns geht, was wir für Erwartungen und Wünsche haben. Und nicht zuletzt auch durch die Möglichkeit, immer wenn man möchte, doch im Büro zu arbeiten. Die Plätze sind frei, Kaffee und Wasser stehen bereit und man kann im Wochenplan auch sehen, wer von den Kollegen auch vor Ort sein wird. Und falls es einem im Büro doch etwas zu eng werden sollte, so kann man auf eine der großen Co-Working-Flächen sowie das Betahaus-Café ausweichen.
Mein Fazit
Im Laufe meiner Recherche wurde mir immer klarer, dass mein Ehemann tatsächlich im Home-Office arbeitet. Er sitzt tagtäglich an seinem Schreibtisch in unserem Arbeitszimmer mit seiner ganzen Ausstattung. Er hat einen perfekt ausgestatteten Arbeitsplatz mit Laptop, Bildschirm, Drucker, Scanner, einen extra Hocker gegen Rückenschmerzen, die Tür ist abschließbar, sämtliche Gefahrenzonen wie herumliegende Kabel wurden entfernt. Ich wiederum betreibe mobiles Arbeiten, setze mich flexibel dorthin, wo ich am besten arbeiten kann und das kann nach harten Nächten auch am Küchentisch neben der Kaffeemaschine bei einem Berg Keksen sein.
Eure Sandra Kade