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27. October 2022Agiles Arbeiten – wie das bei Picalike aussieht
In zahlreichen Unternehmen wird immer wieder betont, dass sie agil arbeiten. Wir bei Picalike arbeiten auch agil. Aber was genau bedeutet das? Woher kommt dieser Begriff? Welches Mindset steckt dahinter? Und noch viel wichtiger: Wie genau wird das bei Picalike gelebt? Tatsächlich haben wir jemanden, der uns Antworten auf all diese Fragen geben kann: unser Projektmanager Maik Kade!
Moin, Maik, seit wann wird bei Picalike agil gearbeitet?
Versucht agil zu arbeiten, wurde bei Picalike schon bevor ich im November 2019 zum Unternehmen dazugestoßen bin. Am stärksten ausgeprägt war damals der agile Gedanke in der Entwicklungsabteilung. Er war somit schon immer da, aber es gab eben keine spezifische Person, die sich mit der Umsetzung und Schulung der Teams diesbezüglich befasst hat und dementsprechend lief es eher halbherzig nebenher, was zu diversen Problemen geführt hat. Wie das so ist, wenn etwas nicht konsequent durchgeführt wird. Von Ende 2019 bis Anfang 2022 wurde dann Schritt für Schritt eine auf uns angepasste Art “Scrumban”, also eine Mischung aus Scrum und Kanbanelementen, in Zusammenarbeit mit dem Team durch mich im Bereich Entwicklung und Operations aufgebaut. Anfang 2022 konnte ich dann das Unternehmen davon überzeugen, alle Bereiche des Unternehmens agil zu strukturieren, also auch den Bereich, den wir intern unter “Business Teams” zusammenfassen: Marketing, Sales, Qualitätssicherung, Customer Support und die Geschäftsführung. Ja, auch die Geschäftsführung.
Woher kommt der Begriff “Agiles Arbeiten”?
Meistens wird der Ursprung des Begriffs mit der Entstehung des sogenannten “Agilen Manifests für Softwareentwicklung”/ “Manifesto for agile software development” in Verbindung gesetzt, und dies war Anfang der 2000er.
Da haben sich so einige Softwareentwicklerpersönlichkeiten im Rahmen einer agilen Allianz getroffen. Viele dieser Personen waren und sind bis heute an der (Weiter) Entwicklung von Frameworks wie unter anderem Scrum, XP beteiligt, die ja mittlerweile nicht mehr nur noch im reinen Softwarebereich von Unternehmen eingesetzt werden. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass auch Dinge wie “Kanban” heutzutage unter dem Deckmantel der Agilität fallen, aber de facto älter als der Begriff selbst sind. Im Falle von Kanban ist diese Arbeitsstruktur bereits in den frühen 1940er-Jahren innerhalb von Toyota, also der Autoindustrie, entstanden. Mittlerweile sind die Frameworks weit über die Softwareentwicklung hinausgewachsen, und wurden auch von kleinen Teams auf große Unternehmen skaliert. Jetzt sind Begriffe wie z.B. “Lean” oder “SAFe” in aller Munde. Auch gibt es Unternehmen, die ihre komplett eigenen agilen Arbeitsweisen und Skalierungen entwickelt haben. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Spotify.
Was heißt “Agiles Arbeiten” ?
Das ist schon ein ziemlich großes Thema, um es auf ein paar Sätze runterzubrechen, aber ich versuche es mal auszudrücken:
Agiles Arbeiten soll ermöglichen, dass eine schnelle und flexible Anpassung an sich schnell und oft verändernde Bedingungen für ein Unternehmen und seine Mitarbeiter ermöglicht wird und dabei unnötige Prozesse und übermäßig Ressourcen konsumierende Aktivitäten entschlackt werden. Das ganze hat das Ziel, dem Kunden immer, so schnell wie nötig, das bestmögliche Produkt, das der Kunde gerade braucht und haben möchte, zu ermöglichen. Das klingt jetzt alles erst einmal sehr kundenbezogen und maschinell, aber einer der wichtigsten Grundsätze der Agilität ist dabei auch die Wertschätzung eines jeden Mitarbeiters als Mensch, Individuum und kompetenter Arbeiter. Um dies alles erreichen zu können, ist eine sehr flache Hierarchie, starke Transparenz, offene Kommunikation und eben auch Vertrauen zueinander auf allen Ebenen eines Unternehmens nötig.
Besonders hervorzuheben ist aber noch einmal, dass Agilität besonders auf Märkten greift, wo ein Unternehmen einen Vorteil davon hat, schnell und flexibel auf sich verändernde Umstände reagieren zu können. Es gibt sicherlich auch Bereiche, wo dies nicht in der Art so stark nötig bzw. möglich ist, wie z.B. Teile der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie. Agilität ist nicht für alle automatisch der beste Weg. Es ist EIN Weg, es gibt auch andere. Aber, wenn ich in der Lage bin, empirisch zu erkennen, was für mein Unternehmen der beste Weg in jeder Situation ist, dann ist das auch auf eine gewisse Art schon ein großer Hauch Agilität. (lächelt) Ich hoffe, ich habe das einigermaßen verständlich erklärt, ohne zu sehr auszuholen und zu verwirren.
Das war super, danke! Ist Agiles Arbeiten ein Remote-Office-Trend?
Ich glaube, das ist so nicht ganz zutreffend. Ich würde eher sagen, “Agilität” an sich ist gerade Trend oder auch “in”. Das hat leider schwerwiegende Konsequenzen für die Wahrnehmung des Begriffs von Agilität. Mein Gefühl ist, dass gerade ganz viele auf der agilen Welle mitreiten wollen und mit falschen Erwartungen an das Thema herangehen. Agilität ist definitiv nicht die schnell gezüchtete “eierlegende Wollmichsau”, die sich viele von ihr erhoffen. Und die Umstellung auf Agilität ist auch kein “Schalter umlegen und läuft”-Prozess. Es ist für viele Unternehmen eine tiefgreifende Veränderung, die, wenn alle mitmachen und sie sauber strukturiert durchgeführt wird, einem Unternehmen ermöglicht, auf die Art “agil” zu sein, wie ich es in der Frage vorher beantwortet habe.
Um auf das “remote office” zurückzukommen – ich würde Agilität hier eher als Maß dafür verwenden, mit dem sich zeigen lässt, ob Unternehmen flexibel / agil genung sind, sich schnell und effizient an verändernde Arbeitsort Bedingungen anzupassen. Bzw. vielleicht schon einen Schritt vorher angesetzt: Ob Unternehmen empirisch genug sind, um zu erkennen, wann für sie und ihre Mitarbeiter remotes arbeiten eine bessere oder gleichwertige Arbeitsform darstellt, zu dem bisherigen “in office”-Modell. Das Stichwort ist hierbei aber die “Empirie”. Häufig genug zeigt sich leider immer noch, dass solche Entscheidungen aus dem Bauch einer Managergarde heraus getroffen werden, mit Argumenten wie: “Das war schon immer so”, “Das kann gar nicht gehen, weil ich es mir nicht vorstellen kann” oder mein persönlicher Liebling: “Mitarbeiter müssen ständig kontrolliert und gesteuert werden, da sobald niemand hinguckt, alle nur in der Nase bohren.” An solchen Aussagen lässt sich schnell erkennen, wie sehr dies tatsächlich auch ein kulturbehaftetes Thema ist, also im Sinne von Landes- und regionaler Arbeitskultur, sowie auch Unternehmenskultur.
Im Falle von Picalike: Wie erleichtert es uns das internationale Arbeiten?
Agiles Arbeiten ist für mich hier bei picalike die Grundlage für die internationale Zusammenarbeit. Hier arbeiten in der Entwicklungsabteilung derzeit mehr als 10 brasilianische Entwickler bzw. Personen, die diesen Teams zuarbeiten – alle im Remote Office in Brasilien. Wir haben noch 3 weitere Senior Entwickler aus Deutschland, die dem Unternehmen schon mehrere Jahre angehören. Alle Nicht-Entwicklungs-Abteilungen haben den Standort Deutschland. Grob gesehen ist die Verteilung der Mitarbeiter auf Deutschland und Brasilien 50:50, bei 4 Mitarbeitern, die sowohl Englisch, Deutsch als auch Portugiesisch auf mindestens mittleren bis hin zu hohen Niveaus beherrschen.
Erst einmal sind wir durch unsere Agilität in der Lage gewesen, schnell die Chance zu nutzen, Personal aus Brasilien einzustellen und in kurzer Zeit erfolgreich zu onboarden, weil der gesamte Onboarding- und Mentoring-Prozess die gesamte Zeit über neu iteriert wird. Heißt, noch während jedem stattfindenden Onboarding wird ausgewertet, was gut und schlecht läuft und sowohl das laufende Onboarding optimiert, als auch zukünftige Onboardings basierend auf diesen Erfahrungen angepasst.
Der gleiche Prozess trifft auch auf die Herausforderungen in der mehrsprachigen Kommunikation zu, über die ich in einem anderen Interview schon einmal im Detail berichtet habe. Alle Mitarbeiter lernen viel voneinander, was Kommunikation betrifft, was im Endeffekt die interne Unternehmenskommunikation Schritt für Schritt besser und transparenter werden lässt. Durch die kulturellen Unterschiede auch im Hinblick auf Problemlösungsstrategien ermöglichen sich die Teams ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten, wie Aufgaben bewältigt werden können.
Langfristig gesehen kommen wir immer mehr in die Lage, unseren Kunden eine längere “live”-Betreuung unserer Dienstleistungen bei Fragen und Problemen anzubieten, aufgrund der Zeitverschiebung zwischen den Ländern. Ein Arbeitstag bei Picalike beginnt somit je nach Team zwischen 8 und 9 Uhr morgens mit den deutschen Teams und endet zwischen 21 und 22 Uhr abends, wenn die Teams in Brasilien ihren Feierabend zwischen 17 und 18 Uhr lokaler Ortszeit haben. Für die meisten Teams gibt es eine effektive Überlappung von 4 Stunden, die es ihnen ermöglicht, Probleme gemeinsam anzugehen. Dementsprechend haben wir eine gute Mischung aus asynchroner und synchroner Kommunikation im Unternehme.
Zu guter Letzt lieben unsere Mitarbeiter die internationale Zusammenarbeit. Alle Beteiligten haben die Chance, eine andere Kultur und neue Sprachen kennenzulernen und somit eine starke Bindung zum Unternehmen und den Teams aufzubauen. Das liegt uns bei Picalike besonders am Herzen, da wir getreu der agilen Denkweise den Menschen als Individuum, sowie seine Interaktion mit anderen wertschätzen und uns dies im Zweifelsfall immer wichtiger als die strikte Einhaltung / Verwendung von Prozessen und Tools ist.
Wenn du jetzt zurückschaust auf die letzten Jahre, welche sind deine Key-Learnings?
- Kommunikation (auch die interkulturelle) ist das A und O. Und das bezieht sich sowohl auf innerhalb des Unternehmens als auch nach außen zu den Kunden. Gute Kommunikation erfordert aber auch Personal, das den Teams dabei hilft, zu erkennen, welche Kommunikationsarten funktionieren und welche nicht. Wenn ein Unternehmen hier schon Probleme hat, wirkt sich das schnell auch auf alles andere aus – Produktqualität, Produktangemessenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit uvm.
- Transparenz ist nicht für jeden einfach. Es gibt so viele Dimensionen der Transparenz und vor allem im Zusammenhang mit dem Datenschutz (Stichwort DSGVO) kann es auch ein heikles Thema werden. Und dazu kommt dann auch noch, dass jedes Individuum eine eigene Vorstellung von Transparenz hat. Es ist unheimlich wichtig diesbezüglich alle in das gleiche Boot zu holen und ein für alle funktionierendes Transparenzmodell zu finden.
- Als Agiler Coach die Neutralität zu wahren ist nicht immer einfach – ich bin auch ein subjektives Wesen, auch wenn mein Job mich so “neutral” wie möglich sein lassen sollte. Aber ich habe sehr schnell gelernt auch sagen zu können “Stop- hier bin ich selber befangen und mich zu fragen “Kann ich das methodisch anders angehen? Oder sollte ich hier Moderation/ Mediation an jemanden anderes abgeben?”
Ganz lieben Dank, lieber Maik, für deine ausführlichen und anschaulichen Antworten auf ein doch sehr komplexes Thema!
Falls ihr noch Fragen habt, dann schreibt sie uns. Oder schreibt Maik direkt an. Wenn ihr mehr über unser Tool oder unser Team erfahren möchtet, dann schaut auf unserem Blog vorbei. Da findet ihr so einige Artikel, die euch alles etwas genauer berichten. Oder ladet unsere Case Studys runter.